Der Morgen beginnt erst einmal furchtbar. Ich komme kaum aus dem Bett, meine Mutter hat mich beim Aufstehen ausversehen zu früh geweckt und ich bin unendlich müde. Als ich mich aufsetzen will macht mein Kreislauf schlapp. Also lass ich mich erst einmal zurück in die Kissen fallen, trinke und strecke mich. Vorsichtig steh ich auf - immernoch meldet sich der Kreislauf - und dehne mich erst sitzend, dann stehend. Schon besser.
Ich merke, wie meine Beine leicht zittern, als ich nach unten gehe. So direkt nach dem Aufstehen merke ich schon extrem, dass ich schlapper bin als sonst. Meine Muskeln sind müde, wie nach einem anstrengenden Workout. Allerdings habe ich auch schlecht geschlafen, bin oft aufgewacht und musste auf Klo. Das ist bei mir keine Seltenheit, aber leider nicht sehr förderlich im Moment.
Nach einer halben Tasse Tee (Fenchel-Kümmel-Anis, auch bekannt als Baby-Tee) verlasse ich das Haus und gehe spazieren, um meinem Stoffwechsel etwas Gutes zu tun. Die ersten Schritte sind klein und ich bin recht langsam, schaffe aber die 3 km Strecke, die ich mir vorgenommen habe. Die Bewegung tut richtig gut, die Natur kommt mir intensiver vor. Aber ich schwitze wie verrückt und bin schnell kaputt.
Wieder zuhause bin ich ausgepowert, mir wird kalt und ich will schlafen. Ich mache mir einen heißen, frischen Baby-Tee und kuschel mich mit einem Hörbuch unter zwei Wolldecken auf das Sofa. Nach ungefähr zehn Minuten schlafe ich. Wach werde ich erst durch meinen Vater, der Blumen im Wohnzimmer gießt. Erstaunlich wach setzt ich mich auf und trink erst einmal eine ordentliche Portion. Das Schläfchen tat gut und ich fühle mich wesentlich besser, auch der Kreislauf ist endlich wieder oben.
Gegen Mittag helfe ich meiner Mutter bei Bastelarbeiten und geselle mich an den Mittagstisch. Es gibt Kartoffelpüree mit Wurst und Apfelmus, ein Gericht, das ich wenig attraktiv finde, auch nach gut 40 Stunden ohne Nahrungszufuhr. Meine Eltern finden die Situation seltsamer als ich und fühlen sich beobachtet von mir. Ich bin selber nun mal nicht beschäftigt und schaue ihnen zu.
Hunger habe ich keinen, nicht einmal ein bisschen. Auch die Gelüste nehmen ab. Entspannt kann ich meiner Schwester sogar zuschauen, wie sie einen Stracciatella-Joghurt löffelt.
Nachmittags putze ich das Auto meiner Mutter von innen, dafür verspricht sie mir zwei Vegetarier-Zeitungen. Schon nach dem Absaugen des ersten Sitzes schwitze ich wie verrückt, meine Arme werden schwer. Die Prozedur kostet Kraft und verlangt mir alles ab, als ich endlich fertig bin atme ich flach und muss mich erst einmal setzen. Die Leistungsfähigkeit hat doch schon abgenommen.
Aber ich kann auch erst Erfolge feiern: Meine Haut ist plötzlich reiner und glatter als vorher. Ich neige vor allem am Rücken zu starken Pickeln - von den einstigen Kratern sind nur noch Maulwürfshügel über. Außerdem habe ich enorm viel Wasser verloren, was besonders an den Beinen einen enormen Unterschied macht. Oft kribbeln die Oberschenkel unangenehm, ich hab das immer auf zu starke Wassereinlagerungen zurückgeführt - und lag damit anscheinend goldrichtig. Auch mein Bauch ist flach und fühlt sich einfach gut an, generell fühl ich mich irgendwie besser, wenn auch ein bisschen schlapp.
Um mich vom Putzen zu erholen les ich erst einmal gemütlich auf dem Sofa, "Die Ernährungsdiktatur" von Tanja Busse. Ich will die Woche wirklich nutzen, um mein Essverhalten zu überdenken. Im Buch geht es vor allem um die fiese Lebensmittelindustrie und ihre Tricks. Da vergeht einem durchaus der Appetit. In meinem Kopf formt sich immer mehr eine Idee, eher ein starker Wunsch oder Drang: Verdammte Scheiße, so einen Dreck willst du nie wieder essen!
Mir ist bewusst, dass ich sowieso schon ein Sonderfall in Sachen Essen bin. Vegetarier, der eigentlich vegan leben möchte, außerdem lieber Fairtrade- als Markenschoki genießen will, und zudem gesund aber genussvoll leben möchte. Wenn ich auch noch industriell gefertigte Produkte aus meinem Plan streiche bleibt zwar mehr als genug über, nur ist das auch umsetzbar?
Eine Antworte darauf wird sich in den nächsten Wochen finden. Auf viele Sachen habe ich schon Lust - Brot und Brötchen selber backen zum Beispiel. Aber auf die geliebte Tofu-Currywurst verzichten, kein Ketchup und keine Barbeque-Soße aus der Flasche mehr nehmen, statt Schokolade zu kaufen selber backen und tüfteln.. ich weiß nicht. Auch ich bin faul. Und wenn meine Mutter wohlwollend Brötchen vom Backautomaten mitbringt, mein Vater bei der Stamm-Pommesbude Pommes holt oder es einfach ein gemütlicher Abend mit Chips werden soll - dann müsste ich nein sagen.
Abends fahre ich noch eine sehr kleine Runde mit dem Rad und genieße den warmen Abend. Mir geht es mitlerweile richtig gut und ich freue mich auf die Dusche. Mit Wechselduschen und einem traumhaften Lavendelduschgel stimme ich mich langsam auf die Nacht ein.
Der Tag war durchaus durchwachsen, hat sich aber noch zum Guten gewendet. Meine Mutter beneidet mich, weil ab dem dritten Tag des Fastens die Euphorie einsetzt. Laut Fastenbuch aber auch die lästigen Nebenwirkungen. Ich bin gespannt!
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